Der Mensch und das Leben zwischen Dystopie und Utopie
Die Analyse: Präambel
Weltweit haben viele Menschen den Eindruck, dass wir in einer Art „Endzeit“ leben. Über die Grenzen von Religion, Kultur, Politik und Ideologie hinweg wird die Gegenwart als gefährlich, überfordernd und bedrohlich wahrgenommen. Daraus entstehen Unbehagen, Zukunftsängste und das Gefühl der Perspektivlosigkeit.
Die Erkenntnis, dass der Lebensstil der westlichen Welt und zunehmend auch der sogenannten Schwellenländer in eine Sackgasse geführt hat, sorgt global für massive Verunsicherung. Immer weniger Menschen können mit der Geschwindigkeit der technologischen Veränderungen noch schritthalten. Dazu kommen immer mehr ökologische Probleme, die nicht von einzelnen Staaten individuell gelöst werden können, sondern einer kollektiven Herangehensweise bedürfen. Der unkontrollierte Umgang mit der sich rasant entwickelnden künstlichen Intelligenz sowie der immer deutlicher sichtbare Klimawandel sind nur zwei der enormen Herausforderungen, denen die Menschheit gegenübersteht. Durch jahrelanges Prokrastinieren wurde bei der Lösung dieser drängenden Aufgaben wertvolle Zeit verloren.
Die Ursache: Wir haben keinen Plan(et) B
Bisher haben ein nicht hinterfragter Glaube an den „Fortschritt“ und das mantrahafte Rezitieren von „Wachstum“ eine ernsthafte Suche nach alternativen Formen der Zukunftsgestaltung blockiert. Durch die Beschränkung auf wirtschaftliche Eckdaten haftet den eigentlich positiv konnotierten Begriffen „Fortschritt“ und „Wachstum“ inzwischen ein fragwürdiges Image an. Wie sollte man nun umgehen mit dieser Erkenntnis?
Zwei Hauptströmungen mit entgegengesetzter Richtwirkung haben sich etabliert: Einerseits gibt es motivierte Menschen, die zu dem dringend notwendigen Paradigmenwechsel bereit sind und ihre Lebensweise bereits daran ausrichten. Als Beispiele seien hierfür erneuerbare Energien, pflanzliche Ernährung und ideologiefreie gesellschaftliche Zusammenarbeit genannt – alles in allem: eine progressive Form des Aktivismus. Andererseits finden zunehmend mehr Menschen ihr Heil scheinbar bei der Flucht in die Vergangenheit: das krampfhafte Festhalten an fossilen Energieträgern, politisch und religiös motivierter Separatismus sowie sentimentale Verklärung der Vergangenheit haben Hochkonjunktur – alles in allem: eine negative Form des Protektionismus.
Hinzu kommt, dass der dringend notwendige gesellschaftliche Diskurs durch die Identifikation des Individuums mit einer Generation zunehmend erschwert wird. Dabei ist der Begriff „Generation“ wissenschaftlich nur schwierig bis gar nicht verifizierbar. Er dient lediglich der Unterteilung in Gruppen, deren Fähigkeiten und Interessen ähnlich erscheinen und zur Unterscheidung von Mitgliedern anderer Generationen herangezogen wird. Als Resultat definieren sich Menschen als Mitglieder einer bestimmten Generation, statt als Teile eines größeren Ganzen. Ein Konsens über die Umsetzung dringend notwendiger Reformen und innovatives Handeln geraten somit immer mehr außer Reichweite.
Die Wirkung: Zwischen Chaos und Chance
Die Gegenwart wird somit zunehmend als Chaos wahrgenommen. Und in diesem Umfeld verfestigt sich eine destruktive Mischung aus egoistischer Ellbogen-Mentalität und psychopathischer Ignoranz:
Ein Psychopath ist viel seltener der ‚klassische Massenmörder‘, als der er in Hollywood-Filmen oft dargestellt wird. Vielmehr findet man den Psychopathen häufig sehr erfolgreich in Wirtschaft oder Politik. Psychopathen sind zirka sechs Mal häufiger in Führungspositionen anzutreffen als andere Menschen. Daher werden Psychopathen nur selten Bankräuber, aber sehr häufig Bankenvorstand. Für Ihre Härte und Durchsetzungsvermögen werden Psychopathen oft bewundert, und der vermeintliche „Erfolg“ im wirtschaftlichen Sinn scheint Ihnen recht zu geben. Dadurch wird dieses potenziell krankhafte Verhalten fälschlicherweise idealisiert und dient als „role model“ für nachfolgende Generationen. Subklinische Psychopathie in Form von Soziopathie bildet zusammen mit Narzissmus und Machiavellismus die sogenannte „Dunkle Triade“. Die moderne Gesellschaft wird also nicht nur von emotional Verkrüppelten geführt, sondern durch deren asoziales Verhalten auch noch geprägt. Die als Stärke und Konsequenz fehlinterpretierte Rücksichtslosigkeit reicht dabei als scheinbare Legitimation völlig aus. Im Gegensatz dazu sind altruistische Philanthropen sehr selten in den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik anzutreffen: zu weich, zu nett, zu wenig „Ellbogen“. Was das auf lange Sicht für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedeutet, ist nur schwer abzuschätzen. Es sollte aber durchaus mit dem Schlimmsten gerechnet werden.
Die Dekadenz der Besitzstandswahrer – besonders in der westlichen Welt – tendiert also in Richtung Abschottung und Separation. Analog zur Geschichte des biblischen Noah entwickelt sich metaphorisch auf breiter Front eine Art „Arche-Bewusstsein“ – die trügerische Hoffnung auf ein scheinbar „rettendes Schiff“, das dann aber möglicherweise auch nicht für alle innerhalb der eigenen Peer-Group ausreichend ist. Daher soll dann wenigstens eines in Sicherheit gebracht werden: das eigene Ego. Und anschließend: „Nach uns die Sintflut“. Statt den Ursachen der Fehlentwicklung entgegenzuwirken, versuchen egoistisch gesinnte Menschen, sich selbst und ihre Kleingeistigkeit zu retten. Diese Attitüde gebiert eine materielle als auch intellektuelle Abschottung von den berechtigten Interessen der Mitmenschen und vor allem der Nachgeborenen. Zynisches Credo: „Für uns wird’s noch reichen.“ Doch so bedauerlich diese sozialdarwinistische Attitüde auch ist – sie bietet dennoch eine Chance: Die Erkenntnis, eine dringend gebotene gesellschaftliche Neuausrichtung zu initiieren, scheint sich unter konstruktiv denkenden Menschen zu etablieren. Allerdings bedarf es dazu einer gemeinsamen Kraftanstrengung, die mit den herkömmlichen Mitteln nicht zu erreichen sein wird.
»Den herausfordernden Fragen der Gegenwart kann nicht mit den pauschalen Antworten der Vergangenheit begegnet werden.«
Earn Broon
Im Angesicht der rasend schnellen Veränderungen unserer Lebensbedingungen wäre spätestens jetzt der richtige Zeitpunkt, um selbst verursachte Fehlentwicklungen und überkommene Verhaltensmuster zu erkennen und umgehend zu beenden. Doch bei der Umsetzung dieser Erkenntnis hapert es, denn ein solches Handeln würde einen radikalen kollektiven Kurswechsel erfordern.
Die Folge daraus ist reaktionärer Eskapismus in all seinen Erscheinungsformen: Politische Agitation, religiöser Eklektizismus und materialistischer Hedonismus. Die Flucht in die Ablenkung durch Scheinwelten ist scheinbar ein allzu probates Mittel gegen die Herausforderungen an die Gesellschaft als Ganzes – und somit gegen uns alle. Den herausfordernden Fragen der Gegenwart kann nicht mit den pauschalen Antworten der Vergangenheit begegnet werden.
Die Konsequenz: Von der Disruption zur Transformation
Der status quo ist also definiert: die Menschheit befindet sich in einer kollektiven existenziellen Krise: eine Disruption der bisherigen Lebensgestaltung. Was es nicht braucht, ist ein „weiter so“, wie es der bewusst lapidar, symbolisch und auch provokativ gemeinte Titel dieses Blogs ironisch suggeriert. Er ist also durchaus mehrdeutig zu verstehen. „Die Ego-Arche – für uns wird’s noch reichen“.
Doch wir möchten uns im Rahmen dieses Blogs nicht damit begnügen, den Finger in die Wunde zu legen. Denn es mangelt nicht an durchdachten Alternativen, an konstruktivem Pioniergeist und an praktisch angewandtem Humanismus. Produktive Gedanken, die das Potenzial haben, kurzfristig Veränderungen zum Positiven zu schaffen und mittelfristig eine Veränderung des kollektiven Bewusstseins herbeizuführen. Und aus dieser aufgeschlossenen Haltung heraus ist es denkbar, den angeblich unaufhaltbaren Lauf der Dinge nicht nur zu stoppen, sondern in eine gänzlich andere Richtung zu führen.
In diesem Blog stellen wir bedeutende Persönlichkeiten vor, die sich zum Ziel gesetzt haben, konkrete Alternativen und weitergedachte Gesellschaftsmodelle zu entwerfen. Es sind Philosophen, Soziologen, Anthropologen, Psychologen, Mediziner, Schriftsteller, Künstler und weitere Innovatoren, die durch ihr Werk eine erweiterte Sicht der Dinge schaffen. In Büchern, Hörbüchern und Interviews erläutern sie ihre Agenda für die Überwindung der festgefahrenen Entwicklung. „Die Ego-Arche – für uns wird’s noch reichen“ veröffentlicht immer am zweiten Freitag des Monats einen neuen Beitrag und verlinkt darin zu den entsprechenden Medien. Dabei zeigt dieser Blog die zukunftsweisenden Modelle dieser Fachleute, deren auf Wissenschaft und Kreativität basierende Arbeit bemerkenswerte neue Perspektiven für eine gesellschaftliche Transformation beinhaltet: analytisch, differenziert und progressiv.