Arthur Schopenhauer: Disput

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer
Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer

Eristische Dialektik

Der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) wird oft als Pessimist bezeichnet. Dies mag an seiner schonungslosen Darstellung dessen gelegen haben, was er als „durch und durch schlechte Welt“ wahrnahm. Ausdruck von Schopenhauers misanthropischer Grundhaltung sind seine oft abschätzigen Kommentare über Zeitgenossen und Kollegen.
Der Philosoph verwies auf einen ziel- und zwecklosen Willen, der nur seine Gier befriedigen will. „Keine auf der Welt mögliche Befriedigung könne hinreichend sein Verlangen stillen, seinem Begehren ein endliches Ziel zu setzen und den bodenlosen Abgrund seines Herzens auszufüllen.“
Hierin sind menschlichen Eigenschaften des Egoismus und der Rechthaberei enthalten, die sich auch im doppeldeutigen Untertitel dieses Blogs wiederfinden:
„Für uns wird’s noch reichen“.
Schopenhauer bemängelte die zu seiner Zeit übliche synonyme Verwendung der Begriffe Logik und Dialektik, denn die Logik beinhaltet aus seiner Sicht die enge Verbindung von Wort und Vernunft und könne somit auch als Einzelwesen erfahren werden. In der Dialektik hingegen sah Schopenhauer „die Kunst zu disputieren“ und somit „die Gemeinschaft zweier vernünftiger Wesen“.
Zur genaueren Definition verwendet er den Begriff Eristische Dialektik für Streittechniken, die nicht auf die Wahrheitsfindung oder dem wechselseitigen Verständnis angelegt seien. Vielmehr attestiert Schopenhauer dem Menschen als solchen, „von Natur aus rechthaberisch“ zu sein. Daraus ergibt sich dann sein Verständnis der Dialektik als „Lehre von den Verfahren bezüglich der dem Menschen natürlichen Rechthaberei“ und eine daraus resultierende sarkastische Schlußfolgerung:

»Wenn man merkt,
daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird,
so werde man persönlich, beleidigend, grob.«

Arthur Schopenhauer

Blickt man auf die gegenwärtige Gesprächskultur in gesellschaftlichen Debatten und politischen Diskussionen, so kann man einen reichlichen Gebrauch dieser Empfehlung Schopenhauers konstatieren.
Der Philosoph selbst sah von einer Veröffentlichung seiner „Eristischen Dialektik“ zu seinen Lebzeiten ab und wies 1851 in seinem Werk „Parerga und Paralipomena“ lediglich auf das noch unvollständige Manuskript hin. Die rhetorischen Strategeme der „Eristischen Dialektik“ – von Schopenhauer selbst als „Kunstgriffe“ bezeichnet – wurden erst postum bekannt und in ihrer originalen Form erst 1966 veröffentlicht.
Schopenhauer empfahl das Disputieren mit Menschen, die „die Wahrheit schätzen, gute Gründe gern hören, auch aus dem Munde des Gegners, und Billigkeit genug haben, um es ertragen zu können, Unrecht zu behalten, wenn die Wahrheit auf der anderen Seite liegt“, denn: „Wer klug ist, wird im Gespräch weniger an das denken, worüber er spricht, als an den, mit dem er spricht.“ Schopenhauer betont: „Gesunder Menschenverstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber kein Grad von Bildung den gesunden Menschenverstand.“
Die 38 Kunstgriffe, die unter dem Titel „Eristische Dialektik“ zusammengefasst sind, wurden mittlerweile von Sven Görtz eingelesen und erschienen als Hörbuch unter dem Titel
„Die Kunst, Recht zu behalten“: